Funken

Mein Auftrag als Christ: Auf das Geliebt-sein darf ich antworten

Christ zu sein heißt für mich vor allem, an die Liebe zu glauben. Liebe ist aber niemals eine Einbahnstraße. Sie braucht Antwort.

Vor einigen Jahren war ich Turmeremit im Linzer Mariendom. Eine einprägsame Erfahrung. Jeden morgen habe ich den Sonnenaufgang über Linz vom Turm aus als einen erhebenden Moment empfunden. Gleichzeitig hatte ich große Schwierigkeiten, mein persönliches Gebet in Worte zu fassen. Ich dachte schon, ich kann nicht beten, bis mir im Gespräch mit meiner geistlichen Begleiterin klar wurde: genau diese erhebenden Momente mit Blick zum Sonnenaufgang waren bereits Gebet. Einfach, weil ich da war. Da-Sein braucht nicht unbedingt Worte.

„Schon vor Beginn der Welt, von allem Anfang an, hat Gott uns, die wir mit Christus verbunden sind, auserwählt.“ – so heißt es im Epheserbrief. Sich ohne jede Bedingung geliebt wissen – das ist es, was ich „Glauben“ nenne und wahrscheinlich habe ich das gespürt, als ich am Turm des Mariendoms die Sonne gesehen habe. Oder als ich meiner Tochter nach ihrer Geburt das erste Mal in die Augen geschaut habe. Oder als ich beim Pilgern auf dem Martinsweg ganz verzaubert von den glitzernden Grashalmen war, in denen sich das Licht der Morgensonne spiegelte. Geliebt-werden macht etwas mit uns Menschen. Es verändert uns. So wie der Tau am Grashalm erst dann glitzert, wenn er von der Morgensonne angestrahlt wird, wird es auch mir möglich, für andere zu Strahlen, wenn ich mich von Gott geliebt weiß.

Diese Erkenntnis war für mich ganz wesentlich dafür, zu erkennen, welchen Auftrag ich als Christ in dieser Welt habe: auf diese Liebe zu antworten. Wie die Antwort konkret aussieht, hat wohl mit meinen Talenten zu tun, mit der jeweiligen Zeit, in die ich hineingestellt wurde, mit den Menschen, denen ich begegne. Je besser ich mich selbst kenne, desto klarer ist für mich mein Auftrag als Christ. Ich darf auf Gottes Liebe antworten, indem ich meine Talente für die Menschen und die Welt einsetze. Leitend ist für mich ein Satz aus dem ersten Korintherbrief: „Bei allem, was ihr tut, lasst euch von der Liebe leiten“ (1Kor 16,14).

Das ist es, was ich immer wieder als meinen Auftrag als Christ erkenne: Als Geliebtes Kind Gottes WILL ich antworten. Ganz so, wie es die zehn Gebote – aus dem Hebräischen richtig übersetzt – nahelegen: Weil Gott uns liebt, und weil auch wir ihn lieben dürfen, WERDEN (nicht: sollen) wir anders handeln.

Christlicher Glaube, christlicher Auftrag ist: Antwort auf das Geliebt-Sein. Weil Liebe uns verändert, dürfen wir, mit unseren Talenten und Fähigkeiten, bei all unseren Grenzen, die Welt und unsere Mitmenschen mit hineinnehmen in diese Liebe. Das ist dann nicht ein Auftrag, der mir „von außen“ mitgegeben wird, sondern der ganz aus meinem „Inneren“ kommt. „Wer bei Gott eintaucht, taucht bei den Armen wieder auf“ – so sagt Paul M. Zulehner. Gottesliebe und Nächstenliebe als Auftrag und Antwort. Herausfordernd – aber auch wunderschön.

Dieser Beitrag erschien in der Zeitschrift „Der vierte Tag“ (Cursillo OÖ, September 2019)

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